
Werder (Havel), 29. Dezember 2020 – Das bunte Herbstlaub raschelt unter unseren Füßen, die Sonne bahnt sich einen Weg durch die lichter werdenen Baumkronen – der Stadtwald präsentiert sich bei unserem Besuch von seiner farbenfrohsten Seite. Wir sind auf einer ganz besonderen Mission: Am 17. Januar 1921, vor fast genau 100 Jahren, trat Oswald Rößler seinen Dienst als Parkwächter der Stadt Werder an. Wir begeben uns auf seine Spuren.
Uns ist ein Zeitungsartikel in die Hände gefallen, datiert auf den 24. Dezember 1961. Es folgen Auszüge aus dem Artikel:
„Wenn heute, am Weihnachtsabend, überall die Kerzen angezündet und wir Menschenkinder im Kreise unserer Lieben am Lichterbaum versammelt sind, dann geht ein Mann, nur von einem treuen Vierbeiner begleitet, einsam durch Werders Stadtpark.
Es ist nicht das erste Mal, daß Oswald Rößler am Heiligen Abend durch die dunklen Winkel dieses Naturparks streift. Er tut das schon seit 40 Jahren.
Längst kennt er jeden Winkel, jeden Pfad und Strauch. Vater Rößler ist seit 40 Jahren Parkwächter und weiß, wie sehr ihn dieser Wald braucht; daß er ihn auch nachts schützen muss.
Als junger Bursche hat er noch miterlebt, wie aus den Schluchten der letzte Ton gefördert und auf Loren über Schienen zu den damaligen Ziegeleien an der Berliner Straße und am Glindower Eck abgefahren wurde. Im Jahre 1910 wurden die ausgebeuteten Tongruben vom damaligen Rat der Stadt zugekauft, und ein Jahr später begannen die Anpflanzungen.
Natürlich weiß Oswald Rößler auch um den natürlichen Grund der nie versiegenden Quelle am Goldfischteich. Dieser kristallklare Wasserquell wird deshalb nie aufhören zu plätschern, weil er sich im Berg auf der Tonschicht immer wieder zum Ausbruch sammeln wird. Von Menschenhand sind nur noch der Goldfischteich und die 1956 abgebrannte Liebeslaube angelegt worden.
Vierzigmal hat Oswald Rößler den Winter in Werders Stadtpark erlebt und mit ihm die hier rodelnde und skifahrende Jugend, die Not der hungernden Vögel und alle übrigen winterlichen Begleiterscheinungen.“
Die Spuren des Tonabbaus lassen sich nur noch erahnen. So zeigt zum Beispiel die Tiefe, in der der Heldenhain liegt, die Tiefenlage des damaligen Tons an. Der Heldenhain wurde 1923 für die Werderaner Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtet.
Es folgte die Gestaltung einer Freilichtbühne in Form eines Amphitheaters. Heute sitzt hier schon längst keiner mehr, um dem Geschehen auf der Bühne zu folgen. Allenfalls die Skater, die hier auf der 1998 errichteten Skate-Anlage ihr Können präsentieren, könnten eventuelle Besucher unterhalten. Bänke gibt es jedoch keine mehr.
Wir spazieren weiter und gelangen an den „Gipfel“ des Rodelberges, der in Kennerkreisen auch „Todesberg“ genannt wird. Wir erinnern uns mit etwas Wehmut an die vielen Rodelabenteuer aus der Kindheit zurück, die gerne auch mal mit blutiger Nase und abgeschürften Knien endeten – die beiden Bodenwellen machten es möglich. Wir streifen weiter vobei am Heldenhain und den Mauerresten der Liebeslaube, am Goldfischteich entlang, bergauf und -ab.
Doch leider ist der Stadtwald vor einiger Zeit in einen Dornröschenschlaf gefallen, den es nun zu beenden gilt. Für den Werderaner Zukunftshaushalt wurden einige Vorschläge zur Gestaltung des Stadtwalds eingereicht. Wenn im Dezember klar ist, welche dieser Vorschläge durch den Zukunftshaushalt finanziert werden, sollen diese in die weitere Planung zum Stadtwald einbezogen werden.
Anfang des kommenden Jahres ist ein öffentlicher Workshop zum Stadtwald geplant. Im Anschluss wird es einen inhaltlich gleichen, zweiten Workshop geben, für den die Teilnehmerschaft aus dem Melderegister ausgelost wird. Ziel der Workshops ist es herauszufinden, welche Standorte im Stadtwald für die durch den Zukunftshaushalt finanzierten Projekte am besten geeignet sind und welche weiteren Maßnahmen gewünscht sind. Die Ergebnisse der Workshops werden anschließend veröffentlicht und den Stadtverordneten als Entscheidungsgrundlage übergeben, ehe diese über Maßnahmen im Stadtwald entscheiden.
Von den Zukunftsplänen bisher völlig unberührt, ist der Stadtwald seit je her ein beliebter Ort für Hundebesiter, Spaziergänger und Freiluftfreunde. (wsw)