Werder(Havel), 17. November 2022- Einer der traditionsreichsten Vereine und wahrscheinlich mit seiner Gründung im Jahr 1704 auch einer der ältesten der Stadt ist der Schützengilde Werder (Havel) 1704 e.V..
Wer die Räumlichkeiten nebst Schießanlage im Keller der ehemaligen Vulkanfiberfabrik betritt, steht vor einer imposanten Ausstellung: zahlreiche Pokale, Wimpel, Fotos, Königsscheiben, Orden und die ein oder anderen Kuriosität, die die über 300-jährige Vereinsgeschichte dokumentiert. Natürlich blickt die Schützengilde auf eine bewegte Vergangenheit zurück. So wurde das erste „Schützenhaus“, das sich zu Beginn noch am Galgenberg am Hohen Weg befand, erstmals im Jahre 1755 erwähnt.
Im Jahre 1943 zählte die Schützengilde 230 Mitglieder, bevor das Vereinsleben eine rund 50 jährige Zwangspause einlegen musste.
Schließlich haben am 10. August 1994 zehn Werderaner ein neues Zeitalter in der Geschichte der Schützengilde eingeläutet. In der Gaststätte „Zur Post“ versammelten sich Torsten Arnold, Uwe Carstensen, Klaus- Dieter Garbe, Ulrich Franke, Georg Hinz, Dr. Baldur Martin, Lutz Möwes, Klaus-Dieter Schwarz sowie Dirk und Fred Wahnsiedler um die Wiedergründung der Schützengilde als eingetragener Verein zu beantragen. Schon ein Jahr später wurde der erste Schützenball auf der Friedrichshöhe gefeiert und die alten Traditionen lebten Stück für Stück wieder auf. Natürlich wurde auch gleich ein standesgemäßes Schützenfest mit Königsschießen veranstaltet, was bis heute als eines der Jahres-Highlights fest im Vereinskalender verankert ist. Und so werden auch heute beim Königsschießen die Schützenkönige und Königinnen unter Erwachsenen und Jugendlichen ermittelt. Nachdem in einem Vorschießen die Finalisten ermittelt werden, schießen diese auf eine verdeckte, die sogenannte „Königsscheibe“. Die Schützen wissen also gar nicht, wo genau das Ziel ist und wissen erst, wer König oder Königin ist nachdem die Scheibe gelüftet wurde. Übrigens ist es Damen erst seit der Neugründung im Jahre 1994 erlaubt an der „Männerdomäne“ Schützenverein teilzuhaben. Werderaner Pionierin war damals Daniela Blessin.
Leider musste die Gilde nach der Wiedergründung auch einen herben Rück- schlag verkraften. Der Rückgabeantrag für das seit 1796 im Besitz der Gilde befind-liche Vereinsgebäude auf der Insel, heute noch bekannt als „Schützenhaus“, wurde abgelehnt und die Suche nach einem neuen Vereinsgelände begann. Riesige Kellerräume in der ehemaligen Vulkanfiberfabrik erfüllten alle Voraussetzungen zum Bau einer Hallenschießanlage und so fasste die Mitgliederversammlung am 27.02.1998 die nötigen Beschlüsse zum Bau der Anlagen.
Dabei war allen klar, dass dieses Vorhaben nur mit finanzieller Beteiligung der Mitglieder zu verwirklichen ist. Jede Familie brachte, teils unter schweren persönlichen Anstrengungen, 1000 DM auf. Vereinsmitglieder waren es, die mit weiteren Krediten und Spenden die Planungen und somit den Bau der Schießhalle vorantrieben. Am 8. Juli 1998 wurde der Pachtvertrag geschlossen. Ein entsprechender Motivationsschub war deutlich zu spüren. Vereinsmitglieder, Firmen, Freunde, Verwandte und Bekannte wurden eingespannt um die recht komplizierten Arbeiten voran zu bringen. Dank des großen Interesses und Engagements aller konnte am 3.12.1998 die Abnahme durch den Schießstandsachverständigen erfolgen und so fand am Abend des 22.12.1998 das offizielle Anschießen statt.
Heute zählt der Verein rund 140 Mitglieder, die durch ihre Leidenschaft für den Schießsport eng miteinander verbunden sind und ein reges Vereinsleben führen. Geschossen wird hier von Jung bis Alt und natürlich mit unterschiedlichsten Waffen und Kalibern. Dreh- und Angelpunkt der Vereinsaktivitäten ist die Schießanlage in der Damaschkestraße, die bei Inbetriebnahme im Jahr 1998 zu den modernsten Anlagen im ganzen Land Brandenburg zählte und auch heute noch als Austragungsort für überregionale Wettbewerbe genutzt wird. In den Räumlichkeiten finden sich zwei Arten von Anlagen. Zum einen die Anlage für Licht- und Luftgewehre, auf der auf eine Distanz von zehn Metern geschossen wird. An den Insgesamt 12 elektronischen Anlagen können die Treffer direkt auf dem Monitor angesehen werden. Außerdem werden die Ergebnisse aller Stände zentral ausgewertet und können auf einen großen Flachbildschirm übertragen werden. So können Zuschauer den Verlauf von Wettkämpfen sehr gut verfolgen.
Mit der Lichtgewehrtechnik können sich insbesondere die jüngsten Sportschützen ausprobieren und trainieren. Grundsätzlich können Kinder & Jugendliche, die sich für den Schießsport interessieren ab sechs Jahren den Umgang mit dem Lichtgewehr und ab zehn Jahren, bei Vorliegen einer Sondergenehmigung, mit dem Luftgewehr unter fachmännischer Anleitung lernen und trainieren. Erst wer das 16. Lebensjahr erreicht hat, darf nach Zustimmung der Eltern, auch mit Kleinkaliberwaffen trainieren. Besonders im Bereich des Luftgewehrschießens verzeichnet der Verein deutschlandweite Erfolge. Im Jahr 2021 schaffte es die Schülermannschaft, bestehend aus den Schützinnen Johanna, Elea und Schütze Finn auf das Silbertreppchen der Deutschen Meisterschaften im Mannschaftsschießen. Schülerin und Sportschützin Johanna krönte die Teilnahmen an den Titelwettkämpfen und wurde Deutsche Meisterin in der Schülerklasse. Auch in diesem Jahr erreichte die Jugend tolle Platzierungen bei diversen Vergleichswettbewerben. Aktuell trainieren die Schüler und Jugendlichen für die Ranglistenwettbewerbe und den „Frankfurter Gockel“ in Frankfurt (Oder). In die Jugendarbeit hat der Verein in den letzten Jahren viel investiert. Besonders wichtig sind spezielle Anzüge, die von den Kindern und Jugendlichen getragen werden, um den Körper zu stabilisieren. Aber nicht nur die Jugend verzeichnet sehenswerte Erfolge. So ist langjähriges Vereinsmitglied Hartmut Lenski mehrfacher Deutscher Meister und konnte den ein oder anderen Pokal in die üppig gefüllten Vitrinen im Vereinsheim stellen Schießsportbegeisterte, die lieber mit Großkaliberwaffen trainieren, können auf drei 25 Meter-Ständen für Kurzwaffen und drei 50 Meter-Ständen für Langwaffen mit nahezu allen Kalibern schießen.
Wie bereits erwähnt ist für das Schießen mit Großkaliber-Munition ab 16 Jahren die Einwilligung der Eltern und ab 18 Jahren ein polizeiliches Führungszeugnis vorzulegen. Die Schießanlage steht grundsätzlich nicht nur den Vereinsmitgliedern offen, sondern kann auch von externen Sportschützen gegen ein Entgelt genutzt werden. Sicherheit steht dabei natürlich an erster Stelle. Schützen, die eine Waffenbesitzkarte haben, schießen mit eigenen Waffen. Wer keine eigene Waffe besitzt, kann diese nach vorheriger Anmeldung ausleihen. Am Empfang werden alle Schützen ordentlich registriert und es wird genau darauf geachtet, dass erworbene Munition auch komplett am Stand verschossen wird. Zu einer standesgemäßen Schützengilde gehört auch das „Böllern“ und Kanonenschießen. Die Traditionsgruppe ist gern gesehener Gast bei Events, wie zuletzt auf der Burg Eisenhart. Zu solchen und auch anderen besonderen Anlässen tragen die Ver- einsmitglieder ihre Trachten, die teils mit den verschiedensten Orden und Abzeichen hoch dekoriert sind. Für die Zukunft möchte der Verein den Kinder- und Jugendbereich weiter ausbauen und hofft weiterhin auf zahlreiche sportliche Erfolge. Auf der Wunschliste steht außerdem eine zusätzliche 100 Meter Schieß- bahn. Wer sich für eine Mitgliedschaft interessiert, der findet alle wichtigen Informationen auf der Seite des Vereins
unter www.schuetzengildewerder.de. (wsw)
(Fotos: Schützengilde zu Werder (Havel) e.V.)