Werder (Havel), 20. September 2019 – Es war nach 22 Uhr, als die Stadtverordnetenversammlung am gestrigen Donnerstagabend beendet wurde. Drängten sich zu Beginn noch zahlreiche Werderanerinnen und Werderaner auf der Treppe in den zweiten Stock des Schützenhauses, um an der SVV teilnehmen zu können, waren es am Ende nur noch etwa 25 Einwohner, die bis zum Ende blieben.
Zu Beginn der SVV wurde die Tagesordnung (auf der 33 Punkte standen) dahingehend geändert, dass der für die Mehrheit der Besucher interessante Punkt “Geänderter Beschlussantrag zum Baumblütenfest” von Platz 17 an die sechste Stelle rückte.
Als Begründung für den Beschlussantrag, der hier im kompletten Wortlaut noch einmal nachzulesen ist, nannte Bürgermeisterin Manuela Saß, dass fraktionsübergreifend der Vorschlag der Verwaltung begrüßt wurde, das Fest von Grund auf neu auszurichten und hierfür zeitnah mit einem Beteiligungsverfahren zu beginnen. Um das Feiern der Baumblüte in den Gärten und Höfen auch 2020 zu ermöglichen, ist ein Sicherheitskonzept notwendig. Die Rahmenbedingungen und die Organisation von Veranstaltungen in 2020 sollen im Ausschuss für Soziales, Bildung, Kultur, Sport und Ordnung erarbeitet werden. Hierfür soll der Ausschuss zur Diskussion je nach Thema auch Gäste einladen, z.B. den Obst- und Gartenbauverein, Obstweinhändler, den Stadtsportbund und den Schaustellerverband.
Bereits am Mittwochabend gründeten Obstbauern und Akteure den Förderkreis der Brauchtumskultur des Werderaner Baumblütenfestes. Michael Schultz von Schultzens Siedlerhof wurde als Sprecher des Förderkreises benannt. Ganz konkret fordert der Förderkreis, dass zumindest der Hartplatz auch in 2020 als Rummelplatz mit Schaustellern und Buden diene und das müsse nicht einmal zwangsläufig mit Alkoholausschank in Zusammenhang stehen. Das Fest soll eben auch für Jugendliche und Kinder attraktiv bleiben.
Der abschließenden Entscheidung vorausgegangen, war eine teilweise hitzige und emotionale Diskussion, bei der sich unter anderem Anja Spiegel (SPD) zu Wort meldete: “Wir wünschen uns eine etwas andere Form der Baumblüte. Wir möchten die Tradition achten und fortführen. Wie haben Sorge, dass eine reduzierte Baumblüte den vielen Gästen, die trotz kommunizierter Absage herkommen werden, kein Ziel bietet. Und Gruppen ohne Ziel sind unkalkulierbar. Wir werden dem Vorschlag der Verwaltung dennoch zustimmen, weil das die bessere Entscheidung ist, wenn man zwischen Pest und Cholera wählen muss.”
Markus Altmann (Bündnis 90/Die Grünen) begrüßte den Antrag der Stadtverwaltung, verwies jedoch darauf, dass man die Obstbauern, die erhebliche finanzielle Schäden befürchten, entschädigen müsse. Dem stimmte die Bürgermeisterin zu und kündigte an, für die Härtefälle unbürokratische Lösungen zu finden.
In der anschließenden (vorgezogenen) Einwohnerfragestunde stach besonders der emotionale Appell einer Vertreterin vom Obsthof Glindow hervor: “Die Fässer von den Obstbauern sind voll. Viele haben Existenzängste. Die kleinen Leute haben Kredite in Anspruch genommen. Wir müssen die Größe von dem Fest wissen, um kalkulieren zu können. Wir möchten auch ein Familienfest und begrüßen den Vorschlag des gemeinsamen runden Tisches. Unser Appel an die Verantwortlichen ist, bei ihrer Entscheidung daran zu denken, welche Auswirkungen diese haben wird.”
Mit 26 zu drei Stimmen wurde der Beschlussvorschlag mehrheitlich von den Stadtverordneten angenommen. Die Dringlichkeitsanträge der SPD und AfD wurden abgelehnt. Die AfD forderte in ihrem Antrag, dass das Gremium konsequent an dem Ziel arbeiten soll, dass die Baumblüte in den Jahren 2020 und 2021 durchgeführt wird. Des Weiteren soll vollständige Transparenz über den gesamten gescheiterten Kommunikationsprozess hergestellt werden und die Bürgemeisterin soll darüber hinaus monatlich den Stadtverordneten Rechenschaft über die Arbeit des runden Tisches ablegen.
Unsere Stadt – Unsere Tradition
Begleitet wurde die gestrige SVV von einer Demonstration der Obstbauern, Schausteller und Werderaner Einwohner, die in dieser Größe wohl von niemandem erwartet wurde. Unter dem Motto “Unsere Stadt – Unsere Tradition, Baumblüte 2020” versammelten sich zahlreiche Menschen vor der Bühne an der Regattastrecke, die meisten von ihnen trugen das eigens für die Demo designte T-Shirt.

Initiator Patrick Plönnig war von der großen Resonanz begeistert, wie er zu Beginn der Demonstration gegen 16 Uhr mitteilte: “Wir haben 750 T-Shirts kostenlos verteilt, sie sind alle weg!” Und auch Michael Schultz von Schultzens Siedlerhof war überwältigt: “Wir haben gehofft, dass so viele erscheinen, es aber nicht erwartet.” Als er ankündigte: “Auf jeden Fall feiern wir nächstes Jahr ein Baumblütenfest” erntete er tosenden Applaus. “Der Wein ist schließlich fertig und muss auch getrunken werden.”
Die Moderation übernahm Albert Ritter, der Präsident des deutschen Schaustellerbundes. Er betonte mehrfach, dass alle Fraktionen von den Initiatoren der Demo eingeladen wurden, auf der Bühne zu sprechen. Wahrgenommen haben diese Möglichkeit die SPD, die StadtMitGestalter, die AfD und die freien Bürger.
Bei stimmungsvollen Einlagen von den Freunden des Frohsinns sowie Bratwurst und warmem Apfelsaft haben die vielen Werderanerinnen und Werderaner bei schönstem Septembersonnenschein friedlich demonstriert. Und als die Kleinsten zu der Stimmungsmusik direkt vor der Bühne getanzt haben, konnten wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass all das genau das ist, was vielleicht den meisten im Sinn steht, wenn sie an das Baumblütenfest denken: ein buntes und fröhliches Familienfest, aber mit Obstwein statt warmem Apfelsaft. (wsw)