Mein Werder (120): Georg Thimme

Werders Pfarrer Georg Thimme. Foto: privat

Kurz & knackig

Name: Georg Thimme
Alter: 52
Wohnort: Im Pfarrhaus auf der wunderschönen Insel Werder

Seit wann sind Sie in Werder zu Hause? – Seit Sommer 2010

Haben Sie Kinder oder möchten Sie gerne welche haben?
Ich habe vier Kinder, von denen eine Tochter in Berlin wohnt und studiert, eine Tochter wohnt noch zu Hause, macht derzeit Abitur und plant ihre Zukunft, die beiden Jungs gehen zur Schule und wohnen ebenfalls noch zu Hause.

Über unsere Blütenstadt Werder (Havel)

Wie würden Sie Werder einem Fremden beschreiben?
Werder ist für mich eine der schönsten Städte Deutschlands, in der ich alles finde, was ich zum Leben brauche: Viele nette und interessante Menschen, eine wunderbare Natur, Wasser in der Nähe, Möglichkeiten zum Entspannen, zum Genießen, zum sich Engagieren. Kurz: Werder ist der Ideale Ort, um zu leben.

Was arbeiten/machen Sie so den lieben langen Tag?
Die Arbeitszeiten und Aufgaben sind nicht jeden Tag gleich, nicht jede Woche und nicht jeden Monat. Arbeit am Abend gehört dazu. Und am Wochenende. Dafür habe ich in der Regel am Montag frei. Pfarrer zu sein ist für mich nicht in erster Linie ein Job, sondern vielmehr eine Lebensweise. 

Als Pfarrer in Werder bin ich für alle Menschen da, die hier wohnen oder zu Gast sind. Das heißt, ich besuche Menschen zu fröhlichen Anlässen wie Geburtstagen, Taufen oder Trauungen, aber auch zu traurigen Anlässen wie Beerdigungen. Zu mir kommen Menschen mit ihren Sorgen und ihren Freuden, weil sie einen Gesprächspartner suchen, mit dem sie auch über Privates in einem vertraulichen Umfeld reden können. Und dann wollen natürlich Gottesdienste, Beerdigungen, Andachten, oder Trauungen vorbereitet werden. Das bedeutet, Lieder heraus zu suchen, Gebete zu formulieren und eine Predigt, also eine Ansprache zu schreiben. Mit einem Team gebe ich Konfirmandenunterricht für derzeit 34 Konfirmandinnen und Konfirmanden und bereite Gemeindeveranstaltungen vor. Gemeinsam mit dem Gemeindekirchenrat bin ich darüber hinaus für die Leitung der Kirchengemeinde zuständig. So kümmere ich mich unter anderem um die Instandhaltung der Gebäude und bin für die Finanzplanung der Kirchengemeinde verantwortlich. natürlich gehört auch Gremienarbeit zu meinem Alltag.

Was würden Sie lieber machen?
Pfarrer zu sein ist eine wunderbare Aufgabe, die ich gegen nichts eintauschen würde.

Haben Sie einen Lieblingsort in Werder? Wo und warum?
In Werder gibt es so viele schöne Orte, dass es mir schwer fällt, nur einen zu nennen. Sehr gerne bin ich an einem ganz gewöhnlichen Tag in der Heilig-Geist-Kirche. Dort kann ich sitzen und meinen Gedanken nachgehen oder einfach nur abschalten. Sehr schön ist auch der Garten hinter dem Gemeindehaus, in dem wir mit Gruppen oft sitzen und den Blick über die Föhse zur Insel genießen, während wir zusammen diskutieren oder feiern. Erholung finde ich vor allem auf meinem Segelboot. Bei Wind und Sonne auf der Havel vor Werder zu kreuzen ist für mich wie ein Kurzurlaub.

Rummel oder Muckergarten? Wo ist Ihr Lieblingsort auf der Baumblüte?
Ich finde es schön, dass jedes Jahr Tausende von Menschen nach Werder kommen, um hier zu feiern. Auf der Insel zu wohnen ist während der Baumblüte jedoch eine echte Herausforderung. Von meinem Schreibtisch aus habe ich in dieser Zeit freien Blick auf Riesenrad, Kettenkarussel und Toilettenwagen und werde von Musik aus unterschiedlichsten Quellen gleichzeitig beschallt. Meiden kann ich den Rummel also nicht. Gerne besuche ich aber einen der Obstgärten am Hohen Weg. Die haben alle ein besonderes Flair. Nach Möglichkeit aber leite ich in dieser Zeit mein Telefon aufs Handy um, nehme mir meinen Laptop und gehe zum Arbeiten auf mein Segelboot. Dort ist einigermaßen Ruhe. 

Und welchen Obstwein bevorzugen Sie?
Quitte finde ich lecker und schwarze Johannisbeere, koste mich aber gerne durch die verschiedenen Weine durch – natürlich auf mehrere Tage verteilt.

Sie – ganz speziell

Sie stammen aus West-Berlin – wie und warum wurden Sie eigentlich Pfarrer?
Ich bin schon in Berlin in einer Kirchengemeinde aufgewachsen. Der Kontakt zu unserer damaligen Pfarrerin und den Pfarrern hat mich sehr geprägt. nach dem Abitur habe ich zunächst Maschinenbau studiert, um jedoch schon bald zu merken, dass mir der Kontakt zu den Menschen und die Theologie als Wissenschaft wichtiger sind als technische Zusammenhänge. Mir war es schon immer ein Anliegen, die Bibel auf vielfältige Weise ins Gespräch und Menschen zusammen zu bringen, um gemeinsam etwas zu entwickeln. Als Pfarrer konnte ich mein Hobby zum Beruf machen. Etwas besseres geht nicht.

Sie sind jetzt seit 2010 Pfarrer in Werder (Havel) – werden Sie irgendwann wechseln oder bleiben Sie in der Blütenstadt?
Als Pfarrer oder Pfarrerin werden wir für 10 Jahre in ein Pfarramt gewählt. Sind diese 10 Jahre um, entscheiden Pfarrer oder Pfarrerin gemeinsam mit dem Gemeindekirchenrat, dem Kirchenkreis und der Landeskirche, wie es weiter geht. Eine zweite Amtszeit ist dann natürlich sehr gut möglich. Ich bin im Sommer 2010 gewählt worden und fühle mich derzeit in Werder sehr wohl.

Schon auf Ihrer vorherigen Pfarrstelle in Baruth haben Sie ein Musical-Projekt ins Leben gerufen – in Werder bringen Sie ebenso erfolgreich Ihre musikalischen Ambitionen, Ihre dazu gehörigen Kenntnisse auf verschiedenen Instrumenten und sogar in der Regie in entsprechende Projekte ein? Welche Instrumente spielen Sie – und wann und wie oft üben Sie?
Ich spiele Saxofon und Klarinette, ein wenig Gitarre und ein wenig Mundharmonika. Außerdem singe ich ausgesprochen gerne. Zum regelmäßigen Üben bleibt mir leider kaum Zeit. Daher freue ich mich immer über kleinere  oder größere Projekte, an denen ich mich beteiligen kann. In der Regel sind das dann wenige aber intensive Proben und dann der Auftritt. 

Wann gibt es das nächste Musical in Werder und warum ist die Musik für Sie so wichtig?
Musik ist für mich die Sprache der Seele. Musik verbindet Menschen über alle Grenzen hinweg. Ohne Musik könnte ich nicht leben. Dabei höre und spiele ich Klassik ebenso gerne wie Rockmusik. 

Ein Musical-Projekt zu entwickeln braucht Zeit und Menschen, die sich diese Zeit nehmen möchten. Also schauen wir mal, was kommt.

Wie viele Mitglieder hat die Gemeinde in Werder (Havel) – und wie bringen die sich ins Gemeindeleben ein? Was könnte verändert, verbessert werden?
Die Heilig-Geist-Kirchengemeinde Werder besteht aus der Stadt Werder und den Ortsteilen Glindow und Petzow. Hier wohnen knapp über 3.000 Christinnen und Christen. Die meisten von ihnen sehe ich mindestens 1x im Jahr bei Gemeindefesten, in Gottesdiensten, bei Beerdigungen, in den verschiedenen Gruppen oder bei diversen besuchen. Und auch wenn wir uns nicht von Angesicht zu Angesicht sehen, fühlen sich die Meisten auch so der Kirchengemeinde zugehörig. 

Im vergangenen Jahr gab es anlässlich der Feierlichkeiten zum 700. Jubiläum der Ersterwähnung Werders erstmals einen ökumenischen Gottesdienst am Ufer der Regattastrecke. Können Sie sich eine Wiederholung dieser bemerkenswerten und über die Konfessionen hinaus verbindenden Veranstaltung vorstellen und was wäre dafür erforderlich?
Ich finde es immer spannend und für alle Beteiligten bereichernd, wenn Menschen unterschiedlicher Konfessionen und Lebensanschauungen miteinander ins Gespräch kommen. Einen Ökumenischen Gottesdienst kann ich mir ebenso gut vorstellen wie Gesprächsrunden mit Menschen anderer Glaubensrichtungen und Weltanschauungen. Dies fand bereits vor einiger Zeit in unserem Gemeindesaal statt. Ich denke noch immer gerne daran zurück und freue mich über bestehende Kontakte in alle gesellschaftlichen Millieus.

In der schönen Heilig-Geist-Kirche finden regelmäßig auch Rockkonzerte statt. Einigen gefällt das gar nicht – vielen aber sehr. Wie gehen Sie mit der Kritik um und was entgegnen Sie denen, die von Gotteslästerung sprechen?
Unsere Gesellschaft lebt von der Vielfalt der Meinungen. Wichtig ist es, im Gespräch zu bleiben, sich gegenseitig wert zu schätzen, zu versuchen, sich gegenseitig zu verstehen und aufeinander zuzugehen. Dann ist konstruktive Kritik immer weiterführend. Mit Rockmusik in der Kirche ist der Boden des christlichen Bekenntnisses nicht verlassen. Im Gegenteil bin ich der Meinung, dass Musik unabhängig von ihrem Stil in die Kirche gehört. Die Grenze wird erst überschritten, wenn die Musik Menschen- oder Kirchenverachtende Inhalte transportiert. Das geschieht bei den Konzerten, die in unserer Kirche stattfinden, nicht. Für mich als Pfarrer und für uns als Gemeinde sind diese Konzerte vielmehr einer der Möglichkeiten, mit Menschen ins Gespräch zu kommen und gemeinsam einen schönen Abend zu erleben.

Hat eines Ihrer Kinder den Plan, ebenfalls Pfarrer oder Pfarrerin zu werden?
Ich bin stolz auf die eigenen Köpfe und Pläne meiner Kinder. Sie fühlen sich der Kirche sehr verbunden. Was daraus beruflich wird, werde ich fröhlich abwarten. Meine älteste Tochter studiert Gemeindepädagogik in Berlin. Mit diesem Abschluss ist viel möglich.

Müssen Pfarrerskinder in ihrer jeweiligen Umgebung, der Schule beispielsweise, eine besondere Vorbild-Funktion erfüllen?
Kinder von Pfarrern sind Kinder wie alle anderen auch. 

Kürzlich gab es in Werder einen ersten Treff für die Vorbereitung einer Aktionswoche für ein weltoffenes Werder. Damit soll ein Zeichen gesetzt werden für eine offene und solidarische Gesellschaft und gegen Rassismus, Diskriminierung und Hass. Wie war der Abend, welche Ergebnisse gibt es?
Für mich ist der Dialog die wesentliche Grundlage für ein gutes gesellschaftliches Miteinander. Von der Aktionswoche verspreche ich mir vielfältige Begegnungen von Menschen mit unterschiedlichen Biographien. So entstehen Verständnis und Offenheit füreinander. Damit setzen wir ein Zeichen für Toleranz, Menschlichkeit und Weltoffenheit gegen Hass, Gewalt und Ausländerfeindlichkeit.

Was wird für die weitere Vorbereitung noch gebraucht?
Wir haben schon viele gute Ideen für ein umfassendes Programm. Es wird Lesungen, Ausstellungen und Diskussionsrunden ebenso geben wie eine Theater- und eine Filmaufführung. Besonders freue ich  mich über die Beteiligung der Schulen, die in dieser Zeit ebenfalls Aktionen planen. Dass die Stadt Werder sich an der Aktionswoche beteiligen wird ist eine Besonderheit, über die wir sehr dankbar sind. Zum Abschluss wird es ein großes Open-Air-Konzert vor der Heilig-Geist-Kirche auf der Insel geben. Wir freuen uns aber nach wie vor über weitere Menschen, die sich an der Aktionswoche beteiligen möchten, Ideen für weitere Programmpunkte sind ebenso willkommen wie Raumangebote oder einfach die Lust, sich an der Vorbereitung zu beteiligen. 

Warum ist so eine Woche wichtig? Und wie kann man Ihrer Meinung nach täglich Zeichen setzen?
Ich erlebe zunehmend eine gesellschaftliche Unzufriedenheit und das diffuse Gefühl, benachteiligt zu sein. Das ist ein fruchtbaren Boden für rechte und populistische Strömungen. Wir wollen dem etwas entgegen halten und zeigen, dass eine tolerante, menschenfreundliche und weltoffene Gesellschaft lebens- und anstrebenswert ist.  

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten – welche wären das?
Ich wünsche mir und vertraue auf einen festen Glauben, der mir die Kraft gibt, auch Krisen zu bestehen. Ich wünsche mir, dass wir Menschen lernen, mehr auf das Gute zu sehen. Ich wünsche mir eine Lebenswerte Zukunft für meine und unser aller Kinder. Und ich wünsche mir gutes Segelwetter im Sommer – das waren jetzt allerdings vier Wünsche.

Was wir sonst noch wissen wollen …

Welche berühmte Person würden Sie gern einmal treffen?
Ansehen, Titel oder Macht sind für mich nicht von Bedeutung. Ich finde Menschen spannend mit interessanten Visionen oder Biografien. Das kann der türkische Kollege neben mir am Fließband während meiner Zeit als Werkstudent ebenso sein wie der syrische Flüchtling im Kirchenasyl, der „1-Euro-Jobber“ in unserer Gemeinde, der leitende Direktor eines Krankenhauses, Angela Merkel oder Frank-Walter Steinmeier.

Besonders gespannt bin ich darauf, am Ende meiner Tage dem lieben Gott gegenüber zu stehen. Dann wird er mir all die vielen Fragen beantworten, die ich heute nicht verstehe.

Welches Buch liegt auf Ihrem Nachttisch?
„Radikal Lieben“ von Heinrich Bedford-Strohm, „Durst“ von Jo Nesbo und „Familiengeschichten“ von Hans Thimme.

Haben Sie Vorbilder? Welche und warum?
Meine Großmutter Gertrud Thimme, die 1999 starb. Noch als sie mit einem Schlaganfall halbseitig gelähmt auf ihrem Sessel im Wohnzimmer saß, hat sie jeden Abend Luthers Abendsegen gebetet: „Ich danke dir, mein himmlischer Vater, dass du mich diesen Tag gnädiglich behütet hast …“. Ihr Glauben hat sie durch ihr ganzes Leben hindurch getragen. dabei ist sie immer bodenständig und weltoffen geblieben. Wunderbar.

Haben Sie einen Lieblingsfilm oder –Serie? Warum?
Wenn ich mal fern sehe, dann die Tagesschau oder sonntags den Tatort.

Haben Sie ein verborgenes Talent?
Das wüsste ich auch gerne.

Lieben Sie Tiere? Wenn ja, Katze oder Hund?
Schon als Kind hatten wir in der Familie Hunde, Katzen, Meerschweinchen und Fische. Heute leben im Pfarrhaus zwei Katzen, ein Hund, zwei zahme Ratten und Fische.

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