„Mein Werder (157): Dieter Glüse

Dieter Glüse hat unseren Sonntagsfragebogen ausgefüllt. Foto: wsw

Kurz & knackig

Name: Dieter Otto Wilhelm Glüse
Alter: 63
Wohnort: Werder (Havel)
Seit wann sind Sie in Werder zu Hause? – Ich lebe seit 1974 in Werder.
Haben Sie Kinder oder möchten Sie gern welche haben? Wir haben zwei Kinder, Tochter Stefanie und Sohn Stefan.

Über unsere Blütenstadt Werder (Havel)

Wie würden Sie Werder einem Fremden beschreiben?
Wir wohnen da, wo andere Urlaub machen – der Slogan stimmt ganz einfach und besser kann man es nicht ausdrücken.

Was arbeiten/machen Sie so den lieben langen Tag?
Mein Geschäft führen und ausbauen.

Was würden Sie lieber machen?
Hunde ausbilden.

Rummel oder Muckergarten? Wo ist Ihr Lieblingsort auf der Baumblüte?
Im Muckergarten. Wir machen gern eine Radrundtour durch die Glindower Muckergärten.

Und welchen Obstwein bevorzugen Sie?
Saure Kirsche.

Haben Sie ein Lieblingsplatz in Werder? Wo und warum?
Die Glindower Alpen und den Plessower See. Den See an der Stelle, die von der Stadt mal frei geschnitten wurde, zwischen Eiche und Autobahn. Da kann man über den ganzen See in Richtung Werder schauen. Wenn man da morgens mit dem Hund draußen ist, der Nebel langsam aufsteigt – das gibt viel Ruhe und Entspannung. Phantastisch. Ebenso ein schöner Ort ist der Telegrafenberg – da hat man auch einen wunderbaren Blick über Werder und Glindow.

Sie – ganz speziell

Wo hängt denn Ihr Meisterbrief?
Der hängt im Verkaufsraum. Erstens bin ich ein stolzer Handwerksmeister und zweitens möchte ich, dass die Kunden das auch sehen können, dass das ein vom Meister geführter Handwerksbetrieb ist.

Erinnern Sie sich an den Tag der Übergabe des Meisterbriefes?
Ja, sehr gut! Es war der Tag nach der Maueröffnung. Alle waren noch im Freudentaumel und kamen gerade von der Mauer. Die Übergabe war im damaligen Kulturhaus Hans-Marchwitza in Potsdam auf dem alten Markt, da wo der goldene Atlas auf dem Dach thront.

Was hat sich in den vielen Jahren im Unternehmen geändert?
Die Struktur des Unternehmens hat sich von einem Reifenhandel- und Vulkaniseursbetrieb zu einem Vulkaniseur- und Autoservice.

Was ist das Schöne daran, mit der Familie zusammen zu arbeiten?
Die Verlässlichkeit.

Und was ist nicht so toll?
Dass man den Betrieb so schwer vom Privatleben abtrennen kann. Man kann nicht Feierabend machen und den Betrieb mal Betrieb sein lassen. Es gab Zeiten, da fand meine Frau, die ja die Buchhaltung macht, erst am späten Abend, wenn ich endlich zu Hause war, die Zeit, mit mir über unbezahlte Rechnungen der Kunden zu sprechen. Da liegt man dann noch eine Weile wach … Da fanden wir dann aber eine andere Lösung.

Wie hat Ihre Unternehmertätigkeit angefangen?
Ich bin 1974 aus Saarmund gekommen. Dort war ich der vorletzte Saarmunder, der dort geboren wurde. Nach Werder kam ich über den Jugendtanz. Viele Werderaner sind oft nach Nudow gekommen, weil dort Livebands gespielt haben. Da war dann irgendwann meine Frau Monika dabei. Wie das so ist. 😉

1975 haben wir geheiratet. Wir wohnten dann damals mit der Familie – neun Personen – in einer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in der Eisenbahnstraße. Keine ganz einfache Situation, aber so war das eben. Die Schwiegereltern bauten dann ein Haus, wir blieben erstmal da und bauten später auch.

Gelernt und gearbeitet habe in Potsdam-Babelsberg als Kfz-Schlosser. Bei der damaligen PGH Autoservice, heute ist das das Autohaus Babelsberg. Morgens von der Eisenbahnstraße mit dem Bus zum Bahnhof, mit dem Zug nach Babelsberg und vom Bahnhof Babelsberg zu Fuß die knapp drei Kilometer zum Autohaus. Dort war ich bis 1977. Dann fing ich bei der Potsdamer Firma „Reifenfrosch“ an, dort habe ich noch einen Facharbeiter gemacht, den als  Vulkaniseur. Bei Herrn Frosch habe ich auch die Meisterausbildung absolviert und war dort, bis ich mich 1988 selbstständig gemacht habe. Damals gab es übrigens noch kein Meister-BAföG, der so eine Ausbildung finanziell etwas abfedert.

Mit dem Meisterbrief habe ich mich im November 1988 selbstständig gemacht. Hier Glindow in der Alpenstraße. Meine Frau Monika unterstützt mich seit 1991, ich bin Ihr für den jahrelangen Rückhalt sehr dankbar. Von der Gemeinde bekam ich das Grundstück zugewiesen. Angefangen habe ich allein. Da standen hier drei Wände, freier Blick nach oben, in der Werkstatt wuchs das Unkraut. Die alte Schmiede war schon über 30, 35 Jahre nicht mehr bewirtschaftet. Also habe ich angepackt, habe den Hof frei geschaufelt und ein Dach auf die Werkstatt gebaut. Dann ging’s los. Die Reifen – ob nun neu oder runderneuert – kamen vom Chemiehandel Potsdam, die wurden kontingentiert, also zugewiesen. Aber dann kam schon die Wende und die Vertreter aus dem Westen. Großhandelskollegen aus Westberlin haben die Innung von Potsdam ins Hotel Jägertor eingeladen, haben sich vorgestellt und gesagt, sie könnten uns mit Reifen beliefern. Die Industrie sei nur an unseren Standorten interessiert. Mit Zuweisungen und Großhandel hatte ich im Osten aber jahrelang zu tun, das wollte ich nicht mehr. Ich wollte Direktverträge mit der Industrie, also die Reifen direkt vom Hersteller kaufen. Nach und nach erhöhten sich die Stückzahlen, ich wurde ein interessanter Partner für die Industrie. Vor der Wende durften wir auch nur Pkw-Reifen machen, Nutzfahrzeugreifen wurden den Betrieben direkt zugewiesen. Die durften wir nicht handeln und verkaufen, nur reparieren. Nach der Wende war das Feld offen – heute ist die Nutzfahrzeugbereifung ein wichtiges Geschäftsfeld.

Direkt nach der Wende war klar, dass wir uns neu organisieren müssen. Die ersten Wochen, als alle mit sich und der neuen Freiheit zu tun hatten, habe ich mein Geschäft geschlossen, bin nach Berlin gefahren und durch Westdeutschland gereist und habe mir Betriebe angesehen. Angefangen habe ich bei Reifen-Krüger in Berlin. Dort habe ich hospitiert, habe im Verkaufsraum gesessen und habe „aufgesaugt“, geschaut, wie die das machen. Reifen-Krüger – inzwischen ein guter Freund – hat mir erklärt, wie die Handelstrukturen sind und wo man bei der Industrie mit den Aufträgen aufpassen muss. Wir hatten viel zu lernen, auch die Kalkulation beispielsweise, das brauchten wir ja vorher nicht. Das waren drei intensive Wochen des Selbststudiums, in denen ich aber auch drei wichtige Leute kennen gelernt habe, die mir die ersten Schritte im „Westen“ erklärt haben. Neben Reifen-Krüger auch die fränkische Firma Imhof in Kitzingen und einen Kollegen aus Bamberg. Die waren ehrlich, die haben mir die wichtigen Sachen erklärt, eine gebrauchte Lkw-Montagemaschine verkauft. Ich habe in diesen drei Wochen gesehen, wie man einen Handwerksbetrieb führt, wie das Management ist. Der Kollege in Kitzingen hatte eine große Runderneuerungsanlage für Lkw, mit dem habe ich meine ersten Geschäfte gemacht. Da ging es hier morgens um Drei hier los mit einem B 1000 und Anhänger voller alter abgefahrener Lkw-Reifen nach Hof. Da gab es noch Grenzkontrollen. Er kam mit erneuerten Reifen, wir haben umgeladen, gefrühstückt und dann ging’s zurück nach Hause. Eine aufregende und spannende Zeit. Man konnte endlich das machen, was man im Kopf hatte, was man sich vorgestellt hatte mit einem Betrieb. Ich musste mir klar darüber werden, wie meine Zukunft aussieht. Ich wollte Vollsortimenter werden – Reifen „von der Schubkarre bis zum Bulldozer“. Wir kümmern uns auch um die Bereifung von Kinderwagen.

Schnell kam nach den wilden Anfangszeiten die Erkenntnis, das wir in diesem Geschäftsgebiet saisonale Spitzen haben. Im Frühjahr die Umrüstung – Winterräder ab, im Herbst andersherum. Dazwischen ist jeweils ein „Loch“ von vier, fünf Monaten. Das konnten wir zum Teil durch die Baumaschinen und dem Pannenservice auf der Autobahn abdecken. Aber es war schwer, die Fachkräfte immer über die Zeit zu bekommen. Da habe ich mich darauf besonnen, dass ich ja auch Autoschlosser bin. Vor 17 Jahren habe ich dann einen Kfz-Schlosser eingestellt und auch Autoservice angeboten.

Stefan hat sich nach seinem Abitur entschieden, nicht zu studieren. Er wollte gern etwas Handwerkliches machen – an Autos schrauben. Ich sagte ihm, dass es gut wäre, wenn er Autoschlosser macht, denn wenn wir mal die Firma gemeinsam machen wollen, wäre es praktisch, wenn er der Autoschlosser-Meister wäre und ich der Reifen-Meister. Damals gab es die Autoservice-Halle noch nicht. Die stand nach neun Jahren – nach dem Kauf des Grundstückes und der Überwindung der starren Bürokratie. Die Stadt Werder (Havel) stand allerdings hinter meinem Vorhaben und unterstützte mich, ebenso das Ingenierbüro PST aus Werder.

Stefan ist seit 2011 im Betrieb, Steffi ist gleich nach der Lehre als Bürokauffrau bei Krafthand 1995 eingestiegen. 2015 hat Stefan seinen Meisterbrief bekommen, am 1. September 2016 hat er die Geschäftsführung übernommen. Damit einher ging die Umfirmierung zur GmbH. Steffi ist Prokuristin, ich bin Hauptgesellschafter.

Ganz raus bin ich aber noch nicht, wenn die Gesundheit mitspielt würde ich gern bis 65 noch helfend und unterstützend im Hintergrund dabei sein. Und so lange, wie die Kinder das noch wollen … Im Moment ist vielleicht auch die Lebens- und Berufserfahrung noch ganz wichtig. Von Marathon-Läufer zum Fußgänger – das geht auch nicht. Das „Abtrainieren“ hatte ich mir so vorgestellt, dass ich versuchen wollte, nur noch acht Stunden zu arbeiten und freitags nur bis 12 Uhr. Da bin ich nach acht Stunden nach Hause gekommen und meine Frau fragte, was ich hier wolle. Ich bringe ihren Ablauf durcheinander! Dann bin ich einfach doch etwas länger geblieben, blieb sitzen und schaue nur zu. Das ging drei Tage, dann legte mir mein langjähriger Mitarbeiter morgens die Schlüssel auf den Tisch: „Chef, ich brauche keinen Schlüssel mehr. Sie haben ja kein Vertrauen zu mir“. Das habe ich dann mit ihm oben in meinem Büro geklärt. Er sagte: „Sie sitzen jeden Abend da, als ob ich Ihre Geschäfte die ganzen Jahr nicht richtig geführt habe. Als ob ich Sie betrügen will“. Nach meiner Erklärung, dass ich ihn keinesfalls kontrollieren will, ich eigentlich nur acht Stunden arbeiten will, mich zu Hause aber auch fehl am Platze fühle, ging es wieder. Aber es war nicht so einfach, aus dem „Marathon“ von 10, 12 Stunden täglich und den Arbeitssamstagen raus zu kommen. Mittlerweile gelingt es aber. Die Geschäftsführung ist in guten Händen.

Wie viele Mitarbeiter sind es inzwischen?
Wir haben 17 Mitarbeiter, darunter Auszubildende in Reifentechnik und in Kfz-Technik. Wir würden gern mehr ausbilden, wenn die Jugend wieder verstanden hat, dass Handwerk goldenen Boden hat und schwarze Hände und Arbeit auch Spaß machen können. Aber diese Erkenntnis fängt an, sich wieder durchzusetzen.

Sie sind mit Ihrer Firma ein großer Unterstützer des Sports in Werder – besonders die jährlichen Fußballcamps des WFC liegen Ihnen am Herzen – warum?
Ehrlicherweise ist der größte Sportfan mein Sohn. Wir unterstützen die Jugend im Sportbereich, weil wir denken, dass die Kinder zu viel alleine vor dem Computer sitzen. Es wird kaum noch gemeinschaftlich gespielt. Beim Fußball und auch beim Handball sehen wir, dass viele kleine Menschen miteinander spielen, ein gemeinsames Ziel haben – das ist unsere Intention, Teamsportarten hier in unserer Stadt zu unterstützen und zu fördern.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, welche wären das?
Gesundheit, Gesundheit und Gesundheit.

Was wir sonst noch wissen wollen …

Welche berühmte Person würden Sie gern einmal treffen?
Michael Schumacher. Ich war ja schon mal dicht dran. Unten im Verkaufsraum hängt ein Bild mit Ross Brawn, dem Motorsportmanager.

Welche Fragen würden Sie ihm stellen?
Abgesehen davon, dass er im Moment nicht antworten könnte, wie er es geschafft hat, seinen Leistungssport und seine Familie immer miteinander koordiniert hat.

Welches Buch liegt auf Ihrem Nachttisch?
„Passagier 23“ von Sebastian Fitzek. Ein sehr spannender Psychothriller. Leider finde ich meist nur im Urlaub Zeit zum Lesen. Dann schaffe ich aber drei, vier Bücher.

Haben Sie Vorbilder? Welche und warum?
Mein Vater war ein Vorbild für mich. Weil er durch seinen Fleiß und seine Zielstrebigkeit viel erreicht hat. Die Familie konnte sich mehr leisten, weil er so viel gearbeitet hat. Zielstrebigkeit und Fleiß – das wiederholt sich, wie ich denke, in der Familie. Das sieht man auch an meinen Kindern.

Haben Sie einen Lieblingsfilm oder -serie? Warum?
„Tatort“ – weil man mit überlegen kann und es keine Werbung gibt.

Haben Sie ein verborgenes Talent?
Nein.

Lieben Sie Tiere? Wenn ja, Katze oder Hund?
Hund. Und zwar Rottweiler. Ich habe zwei Rottweiler, meinen ersten hatte ich mit 31 Jahren. Ich wollte eigentlich immer züchten. Durch die Selbständigkeit war das anfangs schwierig. Denn züchten ist ja viel mehr als vermehren. Da sollte man sich schon intensiv Gedanken machen, man muss wissen, was man tut. Irgendwann vor 12 Jahren konnte ich das, hatte die erste Zuchthündin und habe begonnen – das macht viel Arbeit, aber auch viel Spaß. Die Zuchtpartner werden sehr sorgfältig ausgewählt. Und auch dabei habe ich bundesweit sehr gute Freunde kennen gelernt.