Werder (Havel), 14. Oktober 2019 – Vor Kurzem erreichte uns ein offener Brief von Birgit Barth zum Thema “Baumblüte”. Immer mehr Werderanerinnen und Werderaner melden sich mit Ideen zur Neuausrichtung des Festes zu Wort. Am Mittwoch, dem 16. Oktober, findet aus diesem Grund eine Diskussionsrunde im SCALA Kulturpalast in der Eisenbahnstraße statt. Ab 18 Uhr können sich alle Interessierten gemeinsam austauschen und ein Konzept erstellen, das bei der Einwohnerversammlung am 4. November vorgestellt werden soll. (wsw)
Offener Brief von Birgit Barth
Ich lebe seit 1976 in Werder und habe im Laufe der Zeit eine enge Verbundenheit mit dieser Stadt entwickelt.
Die Ereignisse der letzten Wochen stimmen mich traurig. Der Kommunikationsweg zwischen den Verantwortlichen der Stadt und den Bürgern war etwas sehr unglücklich. Wahlen abzuwarten und die Einwohner dann vor vollendete Tatsachen zu stellen, zeugt nicht von einem geschickten Umgang mit den Bürgern in politisch sensiblen Zeiten.
Man hat die lauten Stimmen der Gegner des Blütenfestes gehört. Es gibt aber auch eine große Verbundenheit vieler Bürger mit der Tradition des Blütenfestes. Ohne die vielen Freiwilligen wäre ein Festumzug von vier Stunden nicht möglich. Das ist jedes Jahr auch eine Demonstration der Verbundenheit der Menschen zu ihrem Fest. Diese Bürger waren nicht laut und wurden schlicht übersehen.
Es gab zurecht auch viele Kritiken an der Art der bisherigen Durchführung des Festes. Aber das ist nicht neu. Warum wurde der Bürgerbeteiligungsprozess nicht schon vor drei Jahren eingeleitet? Das Baumblütenfest hat für uns Werderaner eine wesentlich größere Bedeutung als die Therme. Wenn wir unsere Obstbauern nicht unterstützen (und viele brauchen die Einnahmen des Baumblütenfestes zum Überleben) und uns auf unsere Traditionen besinnen, werden wir in kurzer Zeit ein charakterloser Vorort von Berlin, ohne eigene Ausstrahlung. Gerade die Verbindung Obstbau, Wassersport und Landschaftsidylle macht uns doch unverwechselbar und damit auch attraktiv für Urlauber und Touristen. Aber alles hat seinen Preis. Und manchmal gehört dazu auch ein Blütenfest, mit allen Vor- und Nachteilen.
Entsprechend der Größe unserer Stadt hat das Baumblütenfest meines Erachtens inzwischen die Bedeutung für die Region Werder, wie der Rosenmontagsumzug für die Kölner. Auch dort gibt es besorgte Anwohner und Karnevalsgegner – aber eine Absage des Festumzugs kann sich dort niemand ernsthaft vorstellen.
Ein Fünfjahresvertrag läuft nach fünf Jahren aus. Eine neue Ausschreibung und die Bürgerbeteiligung nach Ablauf des Vertrages anzusetzen, halte ich, bei einem Fest dieser Größe, für sehr gewagt.
2020 sehe ich die Sicherheit in unserer Stadt gefährdet. Die Menschen in Ausflugslaune werden kommen. Für die schnelle Variante eines solchen Festes habe ich leider auch keine Vorstellung. Zu den Feierlichkeiten kamen bis zu 100.000 Besucher an einem Wochenendtag. Wenn wir nur 10 Prozent davon hier haben, aber keine entsprechenden Vorbereitungen treffen, dann dürfte das problematisch für die Stadt werden. Ich glaube nicht, dass die Stadtgärten und Höfe solche Besucherzahlen allein bewältigen können. Was wird, wenn eine Handvoll Randalierer entdeckt, dass es zwar Obstwein, aber wenig Sicherheitspersonal gibt?
Da es schon seit Jahren Diskussionen um die Ausgestaltung des Blütenfestes gibt, spuken mir schon seit geraumener Zeit einige Gedanken durch den Kopf.
Im folgenden meine Überlegungen zur Festumgestaltung als Beitrag zu einer hoffentlich regen Bürgerbeteiligung.
Wie ich mir die Baumblüte der Zukunft vorstellen könnte
Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass die Stadt ihre Feierlichkeiten in eigener Regie organisiert. Diese Mammutaufgabe den jetzigen Mitarbeitern zusätzlich aufzubürden geht allerdings nicht.
Für 250.000 € (Diese Summe wurde in der Presse genannt. Sie soll für die Durchführung der Organisation an die Firma Wohlthat GmbH jährlich gezahlt wurden sein.) könnte man einen qualifizierten Organisationstab finanzieren, der sich ausschließlich mit dieser Feierlichkeit beschäftigt.
Obstweinfest – Jugendschutz – Eintrittsgeld
Als Veranstalter eines Weinfestes gibt es eine Verantwortung für die Einhaltung der Gesetze zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Um das zu realisieren, sind Einlasskontrollen zum Festgelände, meiner Meinung nach, nicht zu umgehen.
Kontroll- und Einlasspunkte am Festgelände wären nötig. Da könnte auch das Glasflaschenverbot durchgesetzt werden. Stark alkoholisierten Gästen sollte der Besuch verwehrt werden.
Unbegleitete Jugendliche unter 14 (?) Jahren dürften keinen Zutritt zum Festgelände haben.
Betrunkene Minderjährige müssten „eingesammelt“ werden und von den Erziehungsberechtigten abgeholt werden. Der Einsatz sollte in Rechnung gestellt werden.
Das Erheben eines moderaten Eintrittsgeldes von 5 Euro pro Besucher über 16 Jahre halte ich für durchsetzbar. Eintrittsstempel sind auch auf anderen Veranstaltungen üblich. (Das wären Einnahmen von geschätzt 2 Millionen Euro bei 500.000 Besuchern. Diese können einen Teil der Kosten für Sicherheit und Reinigung decken).
Alle Obstweinverkäufer dürften nur an Besucher mit Eintrittsstempel verkaufen. Damit würden wir den Jugendschutz durchsetzen und die Händler bräuchten keine Ausweiskontrollen durchführen.
Weinverkauf an Ständen außerhalb des ausgewiesenen Festgeländes sollte nicht erlaubt werden.
Gaststätten und Höfe außerhalb des Festgeländes sind für die Einhaltung des Jugendschutzes in eigener Regie zuständig.
Unser vergessenes Gelände
Zwischen Eisenbahnweg, Hans-Sachs-Straße und Birkengrundweg/Schönemannstraße haben wir seit 30 Jahren in der Stadt ca. 10 ha brachliegendes Gelände (entspricht fast der Größe des halben Stadtwaldes). Umgeben mit einer Mauer und Brombeergestrüpp schläft dieses Gelände seit dem Rückbau der LPG Gewächshauswirtschaften nach der Wende einen Dornröschenschlaf.
Die Einbeziehung dieses Geländes als Rummelplatz ermöglichte eine völlig neue Streckenführung durch mehr oder weniger grünes Gelände und würde die Innenstadt entlasten.
So könnte man insbesondere der Feierlaune der Jugend Rechnung tragen. Dies würde die problematischen Besucherströme aus der Innenstadt heraushalten. Die Lärmbelästigung würde sich in ein nicht so dicht besiedeltes Gebiet verlagern.
Die alte Hauptzufahrt der LPG war früher über die Hans-Sachs-Straße. Diese Straße kann auf Grund ihrer Breite und Stabilität auch aktuell noch gut von großen LKWs befahren werden. Der Aufbau der Fahrgeschäfte würde den Geschäftsverkehr der Innenstadt überhaupt nicht beeinträchtigen.
Die vorhandene Umfriedung ermöglichte perfekte Sicherheitskontrollen. Das Gelände kann von den Besuchern nur fußläufig erreicht werden. Probleme wie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt wären ausgeschlossen.
Vorgeschlagene Streckenführung der Festmeile:
K steht für Kontrollpunkt und Kasse
Bahnhof-Eisenbahnweg- K Rummelplatz K – Birkengrundweg- Schönemannstraße-
K Friedrichshöhe K – K Hoher Weg K ……(Plantagenplatz/ Unter den Linden keine Stände)……. K Inselbrücke-Rundweg auf Insel-Marktplatz Insel
Rummelplatz (auf ehemaligen LPG-Gelände )
Wenn man für den Eingang den Zaun auf Höhe der alten Umformerstation am Eisenbahnweg öffnet, wäre der Eingang des ersten Festgeländes nach ca. 15 Minuten Fußweg vom Bahnhof aus erreicht.
Für den Ausgang könnte ein Stück der Mauer im Birkengrundweg am Ende des Geländes geöffnet werden. Die Menschen werden Richtung Kesselgrund den Fußweg über den Birkengrundweg / Schönemannstraße geführt. Dort können sie auf Höhe der Straßeneineinengung die Kesselgrundstraße überqueren und werden über die Schönemannstraße direkt zur Friedrichshöhe geleitet. Dieser Weg führt durch dünn besiedeltes Gebiet, ist gut begehbar und beeinträchtigt die Bewohner der Stadt, wenn überhaupt, dann nur minimal.
Als Zugang für Veranstalter, Sicherheitskräfte und als zusätzlichen Notausgang könnte der Eingang in der Hans-Sachs-Straße dienen.
Als langfristige Alternative könnte ich mir auch ein neues Festgelände um den Bereich der Friedrichshöhe bei den Schönemannsbergen vorstellen.
Friedrichshöhe
Der Vorplatz an der Friedrichshöhe bietet sich für Jugendkonzerte an. Auf der anderen Seite des Hohen Weges böte das Gelände der ehemaligen Schuttkippe auch entsprechend Platz.
Die Treppen zur Eisenbahnstrasse als kurzen Weg vom und zum Bahnhof sind noch in einem verhältnismäßig guten Zustand.
Von der Friedrichshöhe aus besteht der Zugang zu den Stadtgärten und über den Hohen Weg zur Innenstadt.
Ich bin überzeugt, dass ein großer Teil der Jugendlichen, bei dieser Streckenführung und einem entsprechenden Veranstaltungsangebot in diesem Bereich, nicht zur Innenstadt läuft.
Hoher Weg
Die Festmeile auf dem Hohen Weg mit Einbeziehung der Gärten hat in den letzten Jahren wenig Kritik erfahren. Das könnte so bleiben.
Solange die Händler kommen und mit Standmieten die Kosten decken, gibt es aus meiner Sicht keinen Handlungsbedarf.
Die Bismarkhöhe gehört mit Veranstaltungen zum Fest. Ein generationsübergreifendes Unterhaltungsprogramm würde zum familienfreundlichen Ambiente passen.
Plantagenplatz – Unter den Linden – Hartplatz
Am Plantagenplatz und Unter den Linden sollten nur die ansässigen Gastronomen und Händler aktiv werden dürfen. Ob die Händler ihre Geschäfte öffnen oder Verkaufsstände vor der Tür betreiben oder sich nicht beteiligen, sollte den Betroffenen überlassen werden.
Wenn in diesem Bereich kein „Budenzauber“ aufgebaut wird, bleibt die Stadt innerhalb der Woche ein funktionierendes Stadtzentrum.
Der Hartplatz bleibt Parkplatz. An den Wochenenden nur für Schwerbeschädigte mit Ausweis und für Rettungskräfte. Eventuell ist dies ein möglicher Stellplatz für öffentliche Toiletten.
Die Insel
Eines unserer Hauptdiskussionsthemen bezüglich der Baumblütenfeier ist die Insel.
Ich fände es schade, wenn sie nicht mehr zur Feier gehörte, habe aber auch durchaus Verständnis für die Klagen der Anwohner.
Auf der Insel würde ich mir auf unserem schönen Markt Sitzbänke und Tische wünschen, ein gutes Catering am Rand und dezente „Kaffeehausmusik“. Damit lockt man keine Jugend in diesen Bereich. Die Lärmbelastung dürfte sich so für die Anwohner in Grenzen halten und wir haben dort eine familienfreundliche Atmossphäre in der Obstwein mit Niveau genossen wird.
An der Regattastrecke könnte ich mir ein beschauliches Markttreiben ortsansässiger Gewerbetreibender, Vereine und Künstler vorstellen.
Das Riesenrad und ausgewählte Fahrgeschäfte für kleine Kinder könnten am rechten Inselufer weiterhin stehen. Das verträgt sich mit dem familienfreundlichen Konzept.
Ein festgelegter Rundweg über die Insel würde ein Absperren vieler Wohnbereiche ermöglichen und die Bewohner der Insel entlasten.
Die Inselbrücke braucht eine „Dopplung“ für Rettungszwecke. Hier würde ich überlegen, ob ein fester Steg an der Brücke die bisherige Pontonbrücke dauerhaft ersetzt. Das wäre, bei unserer inzwischen dicht bewohnten Insel, wahrscheinlich auch außerhalb der Blüte eine zusätzliche Sicherheit.
Ein sicher umstrittener, aber zu überlegender Vorschlag ist das Anbringen gut sichtbarer Überwachungskameras in gesperrten Bereichen, damit das Urinieren in diesen Bereichen unterbunden wird.
Die Höfe
Das zusätzliche Einbinden der Höfe und Anlagen außerhalb des Stadtgebietes sollte unbedingt Bestandteil des Konzeptes bleiben.
Der Busverkehr zu den Höfen außerhalb der Stadt wurde gut angenommen. Vielleicht wäre sogar eine dichtere Taktung möglich.
Festumzug
Der Festumzug könnte weiterhin durch die Brandenburger Straße geführt werden. Wenn die Bühne vor der Schule aufgebaut würde und der Zug in die Kellermannstraße und zum Hartplatz geleitet wird, bliebe die Insel unbelastet.
Parkplätze
Vor der Stadt (z.B. Am Strengfeld gegenüber des Zeltplatzes Riegelspitze, in Glindow am Ortseingang, zwischen Kemnitz und der Stadtrandsiedlung) könnte man Parkmöglichkeiten auf Feldern schaffen und einen Shuttleverkehr für die Gäste organisieren. Hier könnte man sich an dem vorbildlichen System des Brücker Titanenrennens (jährliche Pferdeveranstaltung in Brück) orientieren.
Ordnung und Sicherheit
Mobile Straßenabsperrung durch Fahrzeuge könnten Betonpoller und Panzerwagen ersetzen. Mit den Schaustellern, Obstbauern und ortsansässigen Gewerbebetrieben sollten die Möglichkeiten geprüft werden.
Mit zwei LKWs längs der Fahrbahn in Fahrtrichtung können die meisten Straßen für Fahrzeuge „dicht“ gemacht werden. Das „Vorfahren“ eines Fahrzeugs reicht dann aus, um Rettungsfahrzeugen den Weg frei zu machen.
Am Bahnhof für die Rückreise braucht es genügend Ordnungskräfte, um Drängelei auf den Bahnsteigen zu verhindern.Vielleicht könnten dort private Sicherheitsdienste helfen.
Für ausreichend Toiletten, auch außerhalb des direkten Festgeländes, müsste gesorgt werden.
Ein Müllkonzept wird gebraucht.
Denkbar ist Müllvermeidung durch Mehrweggeschirr ähnlich den Glühweinbechern auf Weihnachtsmärkten. Diese werden oft zum Souvenir und Sammelobjekt. Der Verkauf könnte zusätzliche Einnahmen generieren und die Reinigung zurückgegebener Pfandbecher finanzieren.
Pfand auf Plastikweinflaschen und Rückkauf an den Kassen- und Kontrollpunkten könnte „Sammler“ animieren, weggeworfene Flaschen einzusammeln.
Die Hauptstraßen der Stadt dürfte man bei diesem Konzept vom Besucherverkehr weitgehend frei halten und das „normale“ Leben in der Stadt für die Zeit des Baumblütenfestes deutlich geringer als bisher beeinträchtigt werden.
Ich verstehe diese Ausführungen als einen Beitrag zur Diskussion um die Gestaltung des Blütenfestes. Ich bin einfach nur Bürgerin dieser Stadt und kein Fachmann für Festorganisationen. Es ist bestimmt nicht alles bedacht und sicher muss vieles geprüft werden. Nicht alles wird machbar sein. Aber ohne Wagnis gibt es nichts Neues. Ich bin gespannt auf viele kluge und interessante Ideen unserer Bürger. Ich wünsche mir eine rege Beteiligung der Menschen unserer Stadt und auch den Mut zu unkonventionellen Träumen und Vorschlägen, damit es in Zukunft wieder eine schöne Baumblütenfeier für alle Werderaner und deren Gäste gibt. (Birgit Barth)