Von der Rebe in die Flasche

Werder (Havel) OT Plessow, 15. Dezember 2021 – Draußen ist es langsam bitterkalt und schon früh am Nachmittag macht sich Dunkelheit breit. Im Kamin versprüht das prasselnde Feuer behagliche Gemütlichkeit. Den Winterabend komplett macht ein rubinroter Pinotin, der mit seinen warm-weichen Aromen und dem Duft nach reifen Erdbeeren und schwarzen Kirschen ganz wunderbar vollmundig schmeckt.  

Doch wie kommt der Wein eigentlich in die Flasche? Wir haben bei Dr. Manfred Lindicke vom Weinbau Lindicke in Plessow einmal nachgefragt. 

Auf insgesamt 7,6 Hektar auf dem Werderaner Wachtelberg und dem Werderaner Galgenberg werden die begehrten Trauben angebaut. Allein auf dem Wachtelberg tragen über 34.000 Stöcke Trauben der Sorten Müller-Thurgau, Sauvignon Blanc, Saphira, Kernling, Muscaris, Cabernet Blanc, Solaris, Regent, Dornfelder und Pinotin. 

„Aus den sieben weißen und den drei roten Sorten ergeben sich 20 bis 25 verschiedene Weine“, erklärt Manfred Lindicke. „Wir beginnen mit der Ernte meist im September und konnten in diesem Jahr etwa 60 Tonnen Trauben von den Stöcken holen. Das sind 30 Prozent Einbußen im Vergleich zum Vorjahr.“ 

Schuld daran ist der regenreiche August. Durch den Regen platzen die Trauben auf oder bekommen feine Haarrisse. Dies kann dazu führen, dass die Trauben faulig werden und die Essigfliegen sich breit machen. Es gibt sogar ein Sprichwort, das besagt: „Im August viel Regen ist dem Wein kein Segen.“ 

Doch nicht nur für die Unversehrtheit der empfindlichen Trauben wäre ein sonnenreicher August besser gewesen. Die Sonne hat auch einen Einfluss auf den Säuregehalt und das Mostgewicht der Trauben. Gibt es nur wenig Sonne im August und September ergeben sich nur geringe Mostgewichte, dafür aber hohe Säurewerte. Das Mostgewicht ist ein Maß für den Anteil der gelösten Stoffe (mehrheitlich Zucker) im Traubenmost und somit ein wichtiges Qualitätskriterium von Wein.

„Ein für uns optimaler Oechslewert liegt zwischen 70 und 85 Grad“, so Manfred Lindicke. „In diesem Jahr liegen unsere Mostgewichte kurz unter bzw. knapp über der 70°-Grenze. Das ist insofern kritisch, da man höhere Werte benötigt, um einen sehr guten Wein herzustellen. In Deutschland gibt der Gesetzgeber z.B. vor, dass Weißweine mindestens 9 Prozent Alkohol enthalten müssen, das ergibt einen vorherigen Oechslewert von mindestens 70°. Wenn unser Most nun darunter liegt, reicht der Zuckergehalt der Trauben nicht aus, um auf unsere gewünschten 11 Prozent im fertigen Weißwein zu kommen. Hier kommt dann der Kellermeister ins Spiel, der sich darum kümmern muss, die Alkoholwerte anzuheben.“  

Doch ehe der Kellermeister ans Werk geht, braucht es viele fleißige Hände, um die Trauben von den Rebstöcken zu holen. Die Ernte auf dem Werderaner Wachtel- und Galgenberg zieht sich über drei bis vier Wochen. Insgesamt zehn Helfer, u.a. einige aus der Blütenstadt, pflücken die einzelnen Trauben per Hand. Pro Tag landen so etwa 5000 Kilo Trauben in den Kisten. 

Diese werden dann für die weitere Produktion nach Plessow transportiert. „Die Trauben kommen zuallererst in unsere Abbeermaschine, in der die einzelnen Beeren vom Stielgerüst entfernt werden“, beschreibt Manfred Lindicke. „Daraufhin entscheidet der Kellermeister, was mit der Maische passiert. Die Maische, das sind der Traubenmost zusammen mit den Kernen und den Beerenhäuten. Bei der Herstellung von Rotwein wandert die Maische z.B. erst einmal für eine kurze Zeit ins Kühlhaus, da die Kerne und die Häute ganz entscheidend für die spätere Farbgebung des Weines sind. Die Maische von den weißen Trauben wird jedoch meist schnell weiterverarbeitet und kommt in die Presse, in der der Traubensaft von den festen Bestandteilen getrennt wird.“ Gemeinsam mit den Stielen landet der übrig gebliebene Trester auf dem Kompost und später dann wieder als Dünger auf dem Weinberg.

Und dann beginnt das „kontrollierte Nichtstun“, wie uns Kellermeister Marian Malinowski erklärt. Der 30-jährige Brandenburger ist erst seit April 2021 in dieser Position tätig. Zuvor studierte er Getränketechnologie und konnte bereits bei namhaften Weinproduzenten in Rheinland Pfalz, aber auch bei einer bekannten Brauerei Erfahrungen sammeln. „Ich war immer schon sehr an den chemischen Prozessen bei der Getränkeherstellung interessiert“, verrät er uns. „Und beim Wein kann ich mit der Aromenvielfalt der Trauben spielen. Die Weine schmecken am Ende nach Pfirsich, Paprika und grünem Apfel und das ist einfach klasse.“ 

Doch ehe man sich den fertigen Wein schmecken lassen kann, braucht es in erster Linie Zeit und das gute Gespür des Kellermeisters. Durch Zugabe von Gärsalzen, Hefe oder Vitaminen kann man den natürlichen Geschmack des Weines herauskitzeln und abrunden. „Ich kenne meine Pappenheimer und bisher ist mir zum Glück noch kein Wein in Essig abgerutscht“, erzählt Marian Malinowski erleichtert. 

Drei bis vier Monate lagern die Rot- und Weißweine in den silbernen Tanks. Insgesamt 75.000 Liter Tankkapazität stehen in der Produktionshalle zur Verfügung. Im Jahr 2003 wurde sie errichtet, doch erst seit 2012 werden die Weine auch hier vor Ort in Plessow gekeltert. Als besondere Highlight-Weine gibt es von Weinbau Lindicke auch feine Tropfen aus dem Eichenfass.

Wenn der fertige Wein überzeugt und die strenge Qualitätskontrolle besteht, wird er in der hauseigenen Abfüllablage abgefüllt, etikettiert und verpackt. Etwa 1000 Flaschen schafft die Maschine in der Stunde. Knapp 55.000 Flaschen ergeben sich aus einer Erntesaison.

Doch dies war nicht immer so. Manfred Lindicke erinnert sich an die Anfänge: „Die Familie Lindicke baut seit 1700 Wein an, Erdmann Lindicke war der erste, der auf dem Werderaner Galgenberg Rebstöcke setzte. Bis 1850 waren die Lindickes im Besitz des Weinberges, bis starke Fröste und der daraus resultierende geringe Ertrag sie dazu brachte, Obstzüchter zu werden. 

Ich selbst habe 1990 als selbstständiger Berater für den Obstbau angefangen und hatte ja selbst keine Ahnung vom Weinanbau geschweige denn von der Herstellung. Aber als mich Altbürgermeister Werner Große fragte, ob ich den Weinberg auf dem Wachtelberg übernehmen möchte, habe ich trotzdem zugesagt. Es lag mir ja irgendwie in den Genen“, erzählt er schmunzelnd. Und weiter: „Der Weinberg war in einem desolaten Zustand. Im Wendejahr trug er noch etwa 22 Tonnen Ertrag und als ich ihn 1995 übernommen habe, hingen gerade einmal 150 Kilo Trauben an den Rebstöcken. Nur etwa 100 Liter Wein sind daraus entstanden. Und die sind auch noch mit dem Saale-Hochwasser weggeschwommen. Wir kelterten damals nämlich noch in Kloster Pforta in Bad Kösen (Sachsen-Anhalt).“ 

Doch Manfred Lindicke gab nicht auf und hat in den letzten knapp drei Jahrzehnten den Werderaner Wein als eine bekannte Marke etabliert, deren Manufakturcharakter für die hohe Qualität steht. 

Zum Abschluss hat er noch einige Tipps: „Rotwein schmeckt am besten, wenn er eine Temperatur zwischen 18 und 22 Grad hat, Weißwein mag es hingegen kühler und entfaltet sein Aroma am besten zwischen 8 und 12 Grad. Sauerstoff ist der Tod des Weines, also sollte man Weinflaschen nie zu lang offen stehen lassen. Geöffnet – allerdings wieder zugeschraubt – hält sich Weißwein bis zu sieben Tage, Rotwein kann man höchstens fünf Tage aufbewahren.“  

So lange hat der tiefrote Pinotin bei uns jedoch gar nicht „überlebt“. (wsw)

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