Werder (Havel), 14. Juli 2021 – Wir treffen Jürgen Raßbach auf der Bismarckhöhe. Der 76-Jährige hat einen lauschigen Platz unter einem großen Eichenblätterdach hergerichtet. „Ich habe diesen Platz nicht umsonst gewählt. Von hier hat man einen tollen Blick auf den neuen Blutahorn, der gemeinsam mit fünf Kooperationsschulen als Gedenken an den berühmten Schriftsteller Christian Morgenstern gepflanzt wurde.“
Der freie Journalist lebt seit 1996 in Werder (Havel) und ist als Vorsitzender in der Werderaner Christian Morgenstern Gesellschaft aktiv. „Dass der weltbekannte Schriftsteller Christian Morgenstern nachweislich hier auf der Bismarckhöhe die Inspiration für seine berühmten Galgenlieder gefunden hat, ist ein wahrer Schatz für unsere Stadt.“
Auf dem damaligen Werderaner Galgenberg, auf dem heute die Bismarckhöhe thront, lockte einst die Gaststätte „Zum Galgenberg“ die Besucher an. Und so fand sich am 5. Mai 1895 auch Christian Morgenstern gemeinsam mit fünf Freunden hier an diesem geschichtsträchtigen Ort ein. An diesem Abend, bzw. in dieser Nacht kamen die sechs auf die tolle Idee, einen geheimen Bund zu gründen, den Bund der Galgenbrüder. Christian Morgenstern war selbst nie wieder hier in der Blütenstadt, doch seine zahlreichen Galgenlieder eroberten schnell die ganze Welt.
Am 31. März 1914 starb Christian Morgenstern im Alter von gerade einmal 42 Jahren. An seinem 100. Todestag eröffnete in dem Aussichtsturm der Bismarckhöhe das weltweit erste und bisher einzige Christian Morgenstern Literaturmuseum. „Christian Morgenstern ist kein Werderscher Dichter, dafür war sein Aufenthalt hier zu kurz“, erklärt Jürgen Raßbach. „Morgenstern ist ein Dichter der Welt, den man z.B. in München oder Stuttgart besser kennt als hier bei uns. Ein Museum ihm zu Ehren haben aber nur wir in Werder.“
Seit 2018 leitet der 76-Jährige die Christian Morgenstern Gesellschaft mit dem Ziel, das Literaturmuseum weiterzuentwickeln. „Viele Werderanerinnen und Werderaner wissen gar nicht, was man bei uns hier im Museum alles entdecken kann! Es kommen Besucher von weit her, aber leider finden nur wenige Einheimische den Weg zu uns. Hier würde ich mir wünschen, dass in der Stadt etwas mehr auf unser Museum aufmerksam gemacht werden würde. Neben Zeugnissen seines Lebens haben wir allerlei Originale aus der Feder Christian Morgensterns zusammengetragen, aber auch Bilder und von ihm gefertigte Objekte. Er war vielseitig begabt, es gibt also genug zu entdecken! Zusätzlich kann man auch unser Altenkirchzimmer besuchen, das an die einstigen Wirte der Bismarckhöhe erinnert.“
Im Mai dieses Jahres wäre Christian Morgenstern 150 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass ist Ende August ein großes Fest geplant, das an das Erbe des dichtenden Weltenbummlers erinnern soll. „Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann, dass es uns hier oben gelingt, bei einer kleinen Zahl von jungen Menschen die Begeisterung für Christian Morgenstern zu wecken, die viele der Alten hier in sich tragen. Nur das sichert die Zukunft unserer Christian Morgenstern Gesellschaft. Ich bin mit meinen 76 Jahren eines der jüngsten Mitglieder. Daher würden wir uns dringend Nachwuchs wünschen. Aber wenn man uns hier oben nicht findet, kann das Feuer für diesen tollen Dichter und Schriftsteller natürlich auch nicht entfacht werden“, so Jürgen Raßbach abschließend.
Wieviel Kraft, Ehrgeiz und Engagement in dieser ehrenamtlichen Tätigkeit steckt, bemerkt man beim Wandeln durch das Literaturmuseum. Was die Christian Morgenstern Gesellschaft und der Freundeskreis Bismarckhöhe hier geschaffen haben, ist absolut beeindruckend.